9. Fortbildungstage 04./05. März 2016 - Schweinfurt

Am 4. und 5. März 2016 fanden die 9. Fortbildungstage des Vereins Zukunft Prophylaxe unter dem Leitmotiv Brennpunkt Prophylaxe – Erfolg durch Motivation statt.

Tagungsort war zum zweiten Mal das Hotel und Kongresszentrum Arcadia Maininsel in Schweinfurt. 

Der Vorsitzende Dr. Friedrich Grelle begrüßte die mehr als 100 Tagungsteilnehmer in diesem schönen Kongresszentrum und führte in das Thema der beiden Fortbildungstage ein: „Prophylaxe braucht Motivation: Unsere Patienten, unser Team und nicht zuletzt wir selbst“.

Im ersten Vortrag referierte Bernd Menzel aus Hambach über die wichtige Thematik „Erfolgsfaktor Praxisteam“ mit den Gegenpolen „Mobbing oder Teamwork“. Bernd Menzel begann mit der Frage: „Wie entscheiden wir?“ Unsere Emotionen entscheiden. Das emotionale Machtzentrum im Gehirn ist das limbische System. Die drei limbischen Treiber sind Stimulanz, Balance und Dominanz. Entscheidungen fallen weitgehend unbewusst. Das, was wir als freie und bewusste Entscheidung erleben, ist oft nichts weiter als Illusion. Das bewusste „Ich“ ist der Regierungssprecher, der die Entscheidungen interpretieren und legitimieren muss.

Als nächstes wurde der Begriff Mobbing definiert: Ein fortgesetztes Verhalten, das durch gezielte Anfeindung, Schikane und Diskriminierung gekennzeichnet ist. Gründe für Mobbing sind überwiegend ungelöste Konflikte am Arbeitsplatz, sowie die Suche nach Sündenböcken. Typische Mobber oder Mobbing-Opfer gibt es nicht. Neue Kollegen sind jedoch besonders häufig Opfer von Mobbing. Mobbing ist ein dynamischer Prozess und vollzieht sich in vier Phasen:

  1. Schlechte Konfliktbewältigung
  2. Feindseligkeiten nehmen zu
  3. Rechts- und Machtübergriffe
  4. Ausschluss aus der Arbeitswelt

Es folgte der Gegenpol zu Mobbing, gute Teamarbeit. Gute Teamarbeit basiert auf den „5W`s“ WER – WORAN – WIE – WEM – WOFÜR. Die Aufgabenverteilung muss klar geregelt sein und jede(r) Mitarbeiter(in) entsprechend seiner Stärken eingesetzt werden, bei einer transparenten und ehrlichen Kommunikation.

Wie in der Prophylaxe Selbstwirksamkeit und Motivation gestärkt werden können, lehrte uns der Vortrag von Dr. Christof Ramseier aus Bern. Mit Sprechen Patienten motivieren. Dabei ist die motivierende Gesprächsführung von großer Bedeutung. „Die motivierende Gesprächsführung ist ein zielgerichtetes, klientelzentriertes Beratungskonzept zur Lösung ambivalenter Einstellung gegenüber Verhaltensänderungen.“ (William Miller, Stephen Rollnick) Eine Studie von Jonsson et al. (2009) zeigt, dass Plaque- und Blutungsindex nach der motivierenden Gesprächsführung abnehmen. Neben der Motivation spielt die Selbstwirksamkeit eine große Rolle in der Prophylaxe. Unter Selbstwirksamkeit versteht man die subjektive Gewissheit, neue oder schwierige Anforderungssituationen aufgrund eigener Kompetenzen bewältigen zu können. Eine Studie von Woelber et al. 2015 zeigt, dass die Selbstwirksamkeit für Mundhygiene statistisch signifikant korreliert mit

  • allgemeiner Selbstwirksamkeit,
  • einem tieferen Blutungsindex,
  • häufigerem Besuch einer professionellen Zahnreinigung,
  • bessere Adhärenz zur Nachsorge, sowie
  • höhere Ziele für die Zahnzwischenraumhygiene

ein „positiver Teufelskreis“: Steigerung von Motivation und Selbstwirksamkeit führt zu einer höheren Bereitschaft, etwas zu verändern.

Nach einer Pause und der Möglichkeit, die umfangreiche Dentalausstellung zu besuchen, sprach PD Dr. Volker Busch aus Regensburg über „Burnout und Erschöpfung: Ein Phänomen moderner Gesellschaften? Wege aus dem Alltagsstress“. Nicht die Arbeit und das Leben müssen im Gleichgewicht sein (work-life-balance) sondern die Anforderungen des Lebens und die Fähigkeit zur Erfüllung psychischer Grundbedürfnisse.

Weltweit und kulturunabhängig halten fünf psychische Grundbedürfnisse glücklich und gesund:

  1. Lustgewinn ... durch Anregung und Abwechslung
  2. Bestätigung ... durch Selbstwertschutz und -erhöhung
  3. Verbundenheit ... durch Bindung und Beziehungen
  4. Autonomie … durch freie Entscheidung, Erfolge und Wachstum
  5. Bedeutsamkeit … durch Sinn und Orientierung

Diese fünf Glück- und Resilienzfaktoren geben die nötige Energie, alltägliche und auch hohe Belastungen zu meistern. Diese „Einnahmeseite“ wird oft vernachlässigt. Burnout ist kein Ergebnis von zu viel Arbeit, man muss die Lebensbilanz betrachten. Burnout sollte adäquat und ganzheitlich begegnet werden. Konventionelle Empfehlungen, wie „treiben Sie mehr Sport!“, „ernähren Sie sich gesünder!“ oder „sorgen Sie für genügend Schlaf!“, nützen wenig.

Am Freitagabend lud der Verein zu einem sehr köstlichen, italienischen Buffet ein, das von DJ Dieter Geis passend mit südländischen Melodien begleitet wurde. Bis Mitternacht fanden sich die Kongressteilnehmer zu Diskussion und Plauderei zusammen.

Im ersten Vortrag des zweiten Fortbildungstages referierte Dr. Lutz Laurisch aus Korschenbroich über „Was führt zum Erfolg – präventionsorientierte Praxisführung“.

Eine präventive Zahnarztpraxis benötigt eine andere Organisation als eine restaurative. Prävention ist nicht nur ein Therapiekonzept, sondern eine Philosophie, die vom ganzen Praxisteam gelebt werden muss. Die Praxis-Grundphilosophie des Referenten lautet: Was gesund ist, kann gesund bleiben, Zahnverlust ist kein Schicksal.

„Gesund beginnt im Mund“: Ohne Mundgesundheit kein Wohlbefinden! Laurisch rät zu rechtzeitigem präventivem Handeln, aber es ist nie zu spät, damit zu beginnen. Die Philosophie der Prävention zu vermitteln ist die Aufgabe und Herausforderung. Der Vortragende zitiert Augustinus mit den Worten „In Dir muss brennen, was Du bei anderen entzünden willst“. Diese Praxisphilosophie jeden Tag neu zu leben und umzusetzen, ist eine Aufgabe, die nur im Team zu bewältigen ist.

Die Prophylaxe vermindert in erster Linie das Risiko, zu erkranken, und therapiert nicht die Erkrankung selbst. Das bedeutet Agieren durch präventive Maßnahmen, abhängig vom Alter und von den Risikofaktoren des Patienten. Deshalb verändern sich die präventiven Leistungen über die Zeit. Daraus ergibt sich für die Praxis eine Mit-Verantwortung für die Zahngesundheit unserer Patienten –  in jeder Altersklasse. Dabei ist der Recall ein wichtiger Parameter für den Zahnerhalt und die bleibende Gesundheit. Außerdem ist der Recall ein wichtiger Parameter für die Patientengewinnung. Die Kommunikation ist der Schlüssel zur präventionsorientierten Zahnheilkunde.

Anschließend stellte uns PD Dr. Gregor Petersilka aus Würzburg die neuesten Erkenntnisse und Einsichten zur Vermeidung von Periimplantitis vor. Die periimplantäre Mukositis betrifft 78% der Patienten mit Implantaten und 50% der Implantate, die Periimplantitis 20% (bis 50%) der Patienten und 10% (bis 43%) der Implantate. Nach 10 Jahren trennt sich die Spreu vom Weizen. Eine hohe Sondierungstiefe ist nicht entscheidend, sondern der Verlauf. Bei der Röntgen-Diagnostik ist nicht die Technik, sondern die Qualität der Aufnahme von Bedeutung. Implantationen bei Parodontitis-Patienten sind möglich unter der Prämisse, dass die Parodontitis therapiert wird.Kollege

Petersilka empfiehlt regelmäßige Nachuntersuchungen, bei Parodontitis-Patienten nach 3-4 Monaten, sonst nach 6 Monaten. Zur professionellen Reinigung stehen Küretten, Schall/Ultraschall-Aufsätze und Pulverstrahlgeräte zur Verfügung. Die Pulverstrahlreinigung ist relativ gut, wenn der Zugang ausreichend ist. Wie schon vor zehn Jahren, gibt es bis heute keine evidenten Daten, die für die Überlegenheit eines Reinigungsverfahrens sprechen.

Dr. Johan Wölber aus Freiberg startete sein Thema „Computerspiele und Apps – geeignet zur Verbesserung der Mundhygiene“ mit drei Fragen:

Wie können wir sie nutzen?
Warum Computerspiele und Apps?
Oder andersrum: Welches Medium sonst?

Computerspiele werden als sogenannte „Serious Games“ in der medizinischen Ausbildung, im Krankenhausmanagement und in der Patientenversorgung zwecks Verhaltenstherapie, Aufklärung, Compliance-Verbesserung und Gesundheitserziehung eingesetzt.

Eine Untersuchung von Beale et al. (2007) zeigt bezüglich des Spiels „Re-Mission“, welches zur Aufklärung und Motivation in der Behandlung von krebskranken Kindern eingesetzt wurde, folgende Ergebnisse:

  • signifikant höhere Selbstwirksamkeit
  • höheres krankheitsbezogenes Wissen
  • geringere Therapieabbrecher-Quote
  • höhere chemotherapeutische Blutwerte
  • rechtzeitige Anwendung von Antibiotika bei Infektionen, da sich die Patienten schneller beim Arzt meldeten

Es besteht ein großes Potential, dass Computerspiele gesundheitsfördernd sein können, insbesondere im Bereich von psychologischen Therapien und der körperlichen Aktivitätsförderung.

Serious Games in der Oralprophylaxe zeigen einen vielversprechenden Ansatz und haben einen breiten Einsatzbereich.

Computerspiele verursachen initial hohe Kosten, während Apps kostengünstiger und verbreiteter sind.

Nach der Mittagspause mit einem reichhaltigen und guten Buffet und der letzten Möglichkeit, mit den zahlreichen Ausstellern ins Gespräch zu kommen, stand der Vortrag „Ja zur Kinderbehandlung aus Überzeugung - Folgen der Nichtbehandlung vermeiden“ von Prof. Dr. Johannes Einwag aus Stuttgart auf dem Programm.

Es existieren heute gute Möglichkeiten, die Mundgesundheit von Kindern zu erhalten. Diese Möglichkeiten sind bei den meisten Kindern anwendbar. Man muss es nur tun!

80% der Kleinkinder haben ein naturgesundes Milchgebiss, 10% haben mehr als 90% der sanierungsbedürftigen Zähne. Das bedeutet, dass 10% der Kleinkinder einer Totalsanierung und weitere 10% einer Behandlung einzelner Zähne bedürfen.

Unter anderem weist der Referent darauf hin, dass Molaren in der Durchbruchphase 63,6 mal kariesanfälliger sind als Molaren in voller Okklusion. Vier Jahre dauert die Mineralisation des Schmelzes eines durchgebrochenen Zahnes.

Den Abschluss der hoch interessanten Tagung in Schweinfurt bildete Dr. Philipp Sahrmann aus Zürich mit seinem Vortrag „Endlich ein wirksames Antiseptikum – Möglichkeiten und Grenzen von PVP-Jod in der Parodontaltherapie“. Polyvinylpyrrolidon-Jod ist mit Wasser verdünnbar, kostengünstig, extrem fließfähig und wird in Bakterien-Membranen transportiert. Das PVP-Trägermolekül sorgt für einen Depoteffekt. Das PVP-Jod löst die Zellwände der Bakterien an und penetriert sie. Es kommt zur Koagulierung des chromosomalen Materials.

Bei Anwendung eines Protokolls zur Taschenspülung mit PVP-Jod beim SRP waren parodontale Leitkeime über einen Zeitraum von bis zu drei Monaten deutlich reduziert. Ein Effekt der mit CHX noch nicht nachgewiesen werden konnte!

Kontraindikationen von PVP-Jod sind

  • Hyper- / Hypothyreose, die mit Medikamenten behandelt werden,
  • Schwangere,
  • Stillende.

Die Problematik mit braunen Verfärbungen lässt sich leicht beherrschen mit Natriumthiosulfat

Es folgten Dankesworte von Dr. Friedrich W. Grelle an die Tagungsteilnehmer und vor allem an den Fortbildungsreferenten Dr. Christian Schubert, der den Großteil der Organisation der gelungenen Tagung geschultert hatte.

Ein Résumé der Vorträge in Schweinfurt, gezogen von Dr. Werner Habersack, einer der Gründungsväter des Vereins und Ehrenvorsitzender, beendete den Kongress.

Die Firmen Sunstar, Ivoclar Vivadent, Kreussler, Pharma, MIP.Pharma, TePe, 3M Espe, Curaden, Loser, WinWin-Dental GmbH, EMS, Dent-o-care, Profimed, Prodent, Merz–Dental, Hain Lifescience, Lege Artis, Kuraray und GABA GmbH waren Sponsoren der Veranstaltung und stellten bei der umfangreiche Dentalausstellung ihre Produkte und Dienstleistungen vor.

Dr. Axel Cerny

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