16. Workshop 16./17. November 2018 - Beilngries

Am 16./17. November 2018 fand der nunmehr 16. Workshop zur Mitgliederversammlung in Beilngries statt.

Samstag 19. November 2018

Nach dem traditionellen Morgenlauf entlang des Rhein-Main-Donau-Kanals und einem ausgiebigen Frühstück startete am Samstagmorgen, dem 17. November 2018, Prof. Dr.  Jan Kühnisch mit seinem Vortrag „Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation (MIH) – Aktuelles aus Praxis und Wissenschaft“.

Die Erstbeschreibung der Strukturstörung MIH erfolgte 1987. Die Definition durch die EAPD ist aus dem Jahr 2010. Mindestens ein Zahn muss betroffen sein. Die Klinik der MIH zeigt Opazitäten von weiß bis gelblich/braun. Mindestens ein Anteil der vorhandenen Opazität ist scharf begrenzt. Schmelzeinbrüche kommen sowohl präeruptiv als auch posteruptiv vor. Auf eine vorliegende MIH weisen außerdem atypische Restaurationen hin, die im Gegensatz zu kariesbedingten Füllungen keine retentiven Anteile aufweisen, sondern „badewannenförmig“ sind.

Die Lokalisation der MIH ist inzisal/okklusal und oft an Glattflächen, die Ausdehnung verläuft oberflächlich und eine Progressionstendenz ist unwahrscheinlich. Diese Punkte unterscheiden die MIH von kariösen Defekten.

Als Kosymptom der MIH ist eine verringerte Schmelzdicke zu sehen.

Tendenziell ist die MIH, die an allen Zähnen auftreten kann, ein neuzeitliches Problem.

10 – 20 % der Kinder sind betroffen. Bei der MIH funktioniert die Schmelzentwicklung in einem bestimmten Zeitraum nicht, während hingegen bei der Amelogenesis imperfecta der Bauplan der Schmelzentwicklung in der gesamten Zeit verändert ist.

Die Ätiologie der MIH ist unklar. Multiple Variablen werden diskutiert, unter anderen Umwelttoxine, respiratorische Erkrankungen in der frühkindlichen Phase, Antibiotikagabe und Vitamin-D-Mangel.

Als entscheidenden Faktor, um den betroffenen Kindern überhaupt eine ausreichende Mundhygiene zu ermöglichen, nannte Prof. Kühnisch das Management von Hypersensibilitäten. Es gelten die Grundzüge der Prävention, die Klassiker der Kariesprophylaxe.

Mit der Zeit werden die Odontoplasten Reizdentin bilden, sodass die Hypersensibiltäten abnehmen.

Bezüglich restaurativer Strategien sind adhäsive Restaurationsfomen unter der Berücksichtigung der Defektgröße und der kindlichen Kooperation zu bevorzugen. Ein pragmatisches, individualisiertes und kindgerechtes Management ist angezeigt. Kompromissbehandlungen und Behandlungen unter Vollnarkose lassen sich oft nicht umgehen.

Nach einer kurzen Kaffeepause referierte Prof. Dr. Susanne Kneist über „Antibakterielle Strategien – Neues und Bewährtes“.  Sie begann ihren Vortrag mit einem Rückblick über die letzten 100 Jahre der oralen Mikrobiologie.

Anschließend ging es um die aktuelle „Erweiterte ökologische Plaquehypothese“:

Entgegen klassischer Infektionskrankheiten, hervorgerufen durch einen Infektionserreger, wird Karies durch die azidurische, orale Mikroflora ausgelöst. Durch frequente Aufnahme und Menge fermentierbarer Kohlenhydrate entstehen längere Phasen mit niedrigem pH-Wert in Bereichen des Biofilms. Solche Bedingungen fördern azidogene und streng azidurische Keime. Die Balance zwischen De- und Remineralisation kippt in Richtung Mineralverlust. Eine Invasion kariogener Bakterien in den Zahnschmelz und das Dentin ist die Folge.

Die Weltgesundheitsorganisation rät, den täglichen Zuckerkonsum auf 5 Prozent des täglichen Kalorienbedarfs zu reduzieren. Das wären 25 g Zucker pro Tag. Der durchschnittliche Zuckerkonsum in Europa belief sich 2014/15 auf 103,6 g pro Tag.

Nach Erläuterung der Fünften Deutschen Mundgesundheitsstudie (DMS V) folgt das professionelle Mundgesundheits-Management:

  • Remineralisation initialer Läsionen,
  • Reduktion kariogener Keime,
  • Minimale Intervention bei kariösen Läsionen,
  • Reparatur vor Ersatz defekter Restaurationen,
  • Krankheitskontrolle,
  • Sichtbarmachen des mikrobiellen Biofilms,
  • Risikobestimmung durch Keimkontrolle,
  • Professionelle Zahnreinigung,
  • Professionelle und häusliche Verwendung antimikrobieller Wirkstoffe (Goldstandard ist Chlorhexidin),
    Fluoridierung (Zahnpasten, Mundspüllösung, Gele, Lacke),
    Fissurenversiegelung,
  • Infiltration initial kariöser proximaler Zahnflächen mit ICON

Die Biofilmkontrolle ist fundamental für die Karieskontrolle. Die physiologische und ausgewogene Plaque ist nicht zu eliminieren, sondern vor einem Ungleichgewicht in Richtung azidurische Mikroflora zu bewahren.

Nach Verabschiedung der Teilnehmer durch den ersten Vorsitzenden Dr. F. W. Grelle endete die wieder sehr gelungene Tagung in Beilngries mit einem gemeinsamen leckeren Mittagsimbiss.

Dr. Axel Cern

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