7. Fortbildungstage 16./17. März 2012 - Hohenkammer

Es waren die 7. Fortbildungstage unseres Vereins, und zum dritten Mal fanden sie im Schloss Hohenkammer statt. Um es vorweg zu nehmen, es war eine sehr erfolgreiche Tagung, die erstmals unter dem Leitthema „Brennpunkt Prophylaxe“ stattfand.

Auch in Zukunft werden alle Tagungen unseres Vereins unter diesem Leitthema stehen.

Sorgfältig ausgewählte Referenten, ein wunderschöner, sehr moderner Tagungsort mit historischem Ambiente, strahlendes Frühlingswetter im März und ein passendes Rahmenprogramm sorgten von Anbeginn bei den über 120 Teilnehmern für eine lockere und fast heitere Atmosphäre.

Achtzehn Aussteller, sehr gut im Tagungsfoyer aufgestellt, gaben den Tagungsteilnehmern die Möglichkeit, die wissenschaftlichen Impulse der Tagung durch Gespräche mit den Ausstellern zu vertiefen und Produkte, die der Handel anbietet, zu betrachten, auszuprobieren und eventuell für die Praxis zu erwerben.

Das Besondere unseres Vereins und unserer Tagungen ist das Miteinander von Zahnärzten/innen, DH, ZMF, ZMP und ZFA. Dass hier der richtige wissenschaftliche Ton gefunden wurde, ist das Verdienst der Referentinnen und Referenten.

Prof. Dr. Johannes Einwag brachte gleich im ersten Vortrag „Zahnmedizinische Dogmen – was wissen wir wirklich?“ das Hauptanliegen der Tagung auf den Punkt, vieles was wir wissen, erneut zu hinterfragen und eventuell neu zu bewerten.

„Unser Problem sind nicht die Dinge, die wir nicht kennen, sondern die Dinge, die wir glauben zu kennen und die wir lehren und verbreiten, die aber nicht so sind!“

Also ein Paradigmenwechsel auch in der Zahnmedizin? So sind parodontale Erkrankungen eben nicht Erkrankungen, die primär auf mangelhafte Mundhygiene zurück zu führen sind. Vielmehr sind 50% der sie beeinflussenden Faktoren genetischer und immunologischer Natur. Aber: 30% der Erkrankungsursachen beruhen auf Nikotinmissbrauch! Und nur ganze 20% entfallen auf den von uns zu beeinflussenden Bereich.

Auch im Vortrag von PD Dr. Lutz Netuschil „Antiinfektiöse Therapie, Werbung, Wünsche, Wirkung“ wurde dieser Paradigmenwechsel deutlich spürbar. Unser bisheriges Wissen besagt, dass das Biosystem Mundhöhle  vor Biofilm, Säuren und erhöhtem Druck geschützt werden muss. Netuschil vermittelte neueste Erkenntnisse über den Biofilm. Nur 0,2% der supragingivalen Bakterien sind kariogen, und nur 2% können Parodontitis erzeugen.

Schließlich ist auch die Bedeutung „positiver“ Bakterien im Biofilm noch weitestgehend unerforscht.

Therapieresistente, refraktäre Patienten erkennt man daran, dass nach einer PZR in einem Test die Matrix Metalloproteinmasse 8 stark erhöht bleibt.

Die Schlussfolgerung daraus ist, und das brachte der Referent in seiner bildlichen Sprache gekonnt herüber in das Auditorium, dann hilft keine antibiotische Therapie – der filigrane Schraubenzieher – sondern nur die antiseptische Therapie, der Vorschlaghammer.

„Der Periochip wird durch Blut inaktiviert, während Ligosan (Doxycyclin) 12 mehrere Tage aktiv in der Tasche wirkt. Goldstandart bleibt weiterhin das CHX, allerdings nur in Kombination mit einer SLS - freien Zahnpasta.“

Frau Prof. Dr. Susanne Kneist beschloss mit ihrem Vortrag „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr“ sehr humorig den wissenschaftlichen Teil des ersten Verhandlungstages.

  • „Gesund beginnt im Mund, krank sein manchmal auch!“
  • „Ab dem 9. Monat soll aus der Tasse getrunken werden.
  • „Nach dem 1. Geburtstag hat der erste Zahnarztbesuch zu erfolgen.“
  • „Wenn ein Kind relativ gut einen Kreis zeichnen kann, ist es in der Lage, Zähne zu putzen.“
  • „Erst wenn ein Kind flüssig schreiben kann, kann es auch die Zähne ausreichend alleine pflegen.“ Dennoch soll bis weit in das Schulalter die Zahnpflege kontrolliert werden.“
  • „Die Eltern müssen kontrollieren und Vorbild sein!“

Den zweiten Verhandlungstag eröffnete Prof. Dr. Thomas Imfeld aus Zürich gekonnt und bewusst polemisch. „Ästhetisch gesund oder kosmetisch krank“? Diese Frage, die auf den falsch verstandenen Schönheitswahn abzielt, muss vielen Patienten gestellt werden aber leider auch vielen Zahnärzten. Oft steht die Zahnmedizin im Spannungsfeld von Schönheit und Gesundheit!

  • „Wir werden zu Komplizen der Eitelkeit gemacht.“
  • „Europa leidet doch nicht an einer Porzellanmangelkrankheit!“
  • „Aus krank mach schön krank!“
  • „Heilen Sie, aber machen Sie vorher den „Daughter – Test“, d.h., würde ich diesen Eingriff auch bei meiner Tochter vornehmen?“
  • Vielleicht sollte sich Hollywood noch mehr unserer Belange annehmen und Mundhygiene positiv in Verfilmungen darstellen, denn nach entsprechenden Szenen in „Pretty Woman“ stieg der Zahnseideverbrauch exorbitant!

Aber auch eine diesbezügliche Meinung des Schweizer Professors zum deutschen Sozialrecht soll zitiert werden:

„Durch das positive Urteil des Bundesgerichtshofs zur  Internet - Kostenplan – Plattform „zweite Meinung“, wird Gesundheit vollends zur Ware erklärt!“

PD Dr. Stefan Rupf zeigte mit „Neues aus der Kariesforschung – Nanotechnologie“ die teilweise noch visionären Konzepte der Nano- Beschichtung von Zahnersatz, Füllungsmaterialien, aber auch intakten Zähnen. Umfangreiche Forschungsergebnisse wurden vorgestellt.

  • „Ein neues Konzept des Kariesmanagement könnte angedacht werden durch Beschichtung des Schmelzes mit Nano - Komposites.“
  • „Das Andocken von Bakterien wird erschwert, eine Biofilmbildung findet kaum statt.“

Frau Dr. Eva Streletz richtete in ihrem Vortrag „Geht nicht, gibt es nicht. Prophylaxe bei Behinderten“ das Hauptaugenmerk auf die ca. 10% unserer Bevölkerung, die Behinderungen, besser, Fähigkeitsstörungen bzw. Fähigkeitseinschränkungen haben, Ganz wichtig war der Referentin, ein  Begriffsbild zu korrigieren: Den Behinderten gibt es nicht!

Die Vorgehensweise hinsichtlich der Mundhygienebetreuung und der zahnmedizinischen Behandlung bei diesen Patienten muss sehr  individuell und maßgeschneidert sein.

Grundsätzlich gilt, dass unbedingt versucht werden muss, den eigenen Zahnbestand zu erhalten und Zahnersatz so weit als möglich zu vermeiden. Das dient wesentlich auch dem Selbstwertgefühl dieser Patientengruppe.

Aber: Die Mundhygiene und generell die zahnmedizinische Betreuung ist gegenwärtig noch das schwarze Loch in der Pflege. Sie findet eigentlich nicht statt!

Neue Strukturen müssen geschaffen und neue Wege beschritten werden. Eine Möglichkeit sind Patenschaften mit Pflege- und Altenheimen.

Für den plötzlich erkrankten PD. Dr. Rössler stellte sich  dankenswerterweise Herr Dr. Tobias Hain von der Firma Hain als Referent zur Verfügung. Durch gemeinsame Veranstaltungen hatte er den Vortrag von Herrn Rössler auf seinem Laptop und konnte so dessen Part übernehmen. Er war aber durchaus nicht als Ersatz zu verstehen. Die angesprochenen Bakterienteste fanden das Interesse eines sehr aufmerksamen und gut informierten Auditoriums. In seinem Vortrag wies er auf die Notwendigkeit von Bakterientests bei Kumulation von Risikofaktoren hin.

Zu den Risikopatienten zählen Raucher, Interleukin – 1 - Patienten, Patienten mit aggressiver Parodontitis, mit ungenügender Mundhygiene und alle Implantatpatienten. Bei diesen Patientengruppen sollte nach einem positiven Test  gezielt eine Antibiotikatherapie angedacht  werden.

Dr. Klaus-Dieter Bastendorf hatte schließlich den undankbaren Part, bei sommerlichstem Wetter als letzter Referent den Endpunkt der Tagung zu setzen. Es spricht für das Niveau der Tagung und für das Interesse der Teilnehmer, das der Tagungssaal noch immer gut besucht war. Es spricht aber auch für den hochinteressanten Vortrag des Referenten, der sehr anschaulich einen Rückblick auf 35 Jahre Prophylaxepraxis gab, auf seine Prophylaxepraxis. Da blitzte dann der Profi durch und der seit Jahrzehnten engagierte Zahnarzt, der den Tagungsteilnehmern in Sachen Prophylaxe viele wesentliche Erfahrungswerte vermitteln konnte.

Sein Fazit war:

  • „Prophylaxe ist organisierte Teamarbeit!“
  • „Es muss ein strenges, praxisverwaltetes Recall geben, d.h. dass der nächste Termin sofort in der Praxis vereinbart wird und ein Erinnerungsanruf zur Bestätigung 2 Tage vor dem Termin erfolgt“.

Das Rahmenprogramm war bestens organisiert und ausgebucht.

Die Rückenschule von Xaver Hell bot im abendlichen Kurs Prophylaxe für die Tagungsteilnehmer mit entsprechenden Übungen und Unterweisungen, die zur regelmäßigen Anwendung dringend empfohlen wurden.

Der Abend war schon fortgeschritten, als das gemeinsame Abendessen aller Tagungsteilnehmer und Gäste im für Hohenkammer typischen hohen Niveau (diesmal aus eigener Küche mit meist regionalen Produkten) stattfand. Danach und wirklich schon relativ spät am Abend begann in der urigen ehemaligen Scheune des Schlosses eine stimmungsvolle Party. Die meisten Tagungsteilnehmer feierten bei Funk – Soul - Live Musik bis spät in die Nacht, besser gesagt bis früh in den Morgen. Die Stimmung war heiter entspannt. Aber am Samstag um 7 Uhr starteten bereits schon wieder die Jogger, die in erstaunlicher Zahl sportlich aktiv den Tag begannen.

Unbedingt erwähnt werden muss die sehr angenehme und vermittelnde Moderation der Tagung durch den 1. Vorsitzenden des Vereins, Dr. Friedrich W. Grelle, der zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Worte fand und wissenschaftliche Momente so zu akzentuieren wusste, dass sie ihren Weg zu den Tagungsteilnehmern fanden.

Die Tagung endete mit den Dankesworten von Dr. F. W. Grelle an die Tagungsteilnehmer und an die technische Organisation, die durch Dr. Christian Schubert fast im Alleingang bewältigt wurde, und der Vorankündigung der Veranstaltung „10 Jahren Workshop Beilngries“ am 15./16. November 2012.

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