12. Workshop 14./15. November 2014 - Beilngries
Zunehmend werden wir in der Praxis mit hypersensiblen Zähnen bereits konfrontiert. In Deutschland sind es 38%, in der Schweiz 33%, in Italien 65% und in Frankreich 46%. Zwei Referenten stellten von unterschiedlichen Ansatzpunkten aus dar, welche Möglichkeiten bestehen, den Patienten effektiver und langfristig helfen zu können.
Als erster Referent sprach Herr Caspar Smeets (EU Clinical & Technical Manger Kuraray Noritake) zum Thema „Teethmate Desensitizer Kuraray Langzeitdesensibilisierung – ist das möglich?“
Er begeisterte mit seinem Vortrag die Teilnehmer für die neue Bio-Additive Zahnmedizin. Es ist erstmals möglich empfindliche Zähne natürlich zu behandeln. Das erste „Bio-Additive“ Material der Welt, Teethmate Desensitizer, bildet das härteste Mineral im Körper, den gewebefreundlichen Hydroxylapatit (HAp) nach. Er zeigte die ersten wissenschaftlichen Ergebnisse von den mit Teethmate Desensitizer behandelten Zähnen. Bis zu 6 Monate hält die Wirkung von Teethmate Desensitizer an.
Als Einsatzbereiche kommen in Frage:
- Dentin-Behandlung nach Rückgang der Gingiva (Dentintubuli werden verschlossen)
- Dentin-Behandlung nach Zahnsteinentfernung und Wurzelglättung
- Zahnbürstenabrasion
- Schmelzrisse können geschlossen werden und die Gingiva wird dabei geschützt
- Behandlung von präpariertem Dentin bei Füllungen und/oder prothetischer Restauration
Die Vorteile des Materials sind:
- einfache Verarbeitung (siehe Broschüre)
- neutraler Geschmack und Reaktions-pH Wert von 10
- Wirtschaftlichkeit: pro Packung können ca. 130 Anwendungen durchgeführt werden
- nach erfolgter Behandlung ist das Material unsichtbar und die Ästhetik bleibt gewahrt
Der Referent zeigte am Schluss kurz auf, dass diese Entwicklung in Zukunft noch auf weitere Bereiche ausgeweitet werden kann.
Anschließend referierte Prof. Dr. Klaus Roth (Hamburg) zum Thema „Probiotika in der Zahnheilkunde - Sinn oder Unsinn?“
In der Einführung definierte der Referent Probiotika als die Verabreichung lebensfähiger Mikroorganismen, die oral aufgenommen einen gesundheitsfördernden Einfluss auf den Wirtsorganismus nehmen können (Functional Food, Nahrungsergänzungsmittel).
Lactobacillus reuteri kommt in der Darmflora und natürlicher Umgebung vor. Im Versuch wurde Lactobacillus isoliert. Reuteri ist ein natürliches Antibiotikum. Eine keimfreie Maus wurde mit Helicobacter hepaticus infiziert – sie erkrankte. Bei einem zweiten Versuch wurde eine keimfreie Maus mit Helicobacter hepaticus und dem probiotischen Bakterienstamm Bacteroides fragilis infiziert – sie blieb gesund.
Der Versuch wurde dann mit Mitarbeitern einer Firma in Schweden wiederholt. Die Auswertung zeigte, dass sich durch die Einnahme von Lactobacillus reuteri die Krankmeldungen und Krankheitstage stark reduzierten.
Lactobacillus reuteri Prodentis® ist eine patentierte Kombination von zwei speziell ausgewählten Bakterienstämmen. Es ist eines der sehr wenigen Probiotika, die in der Lage sind, im Verdauungstrakt und der Mundhöhle des Menschen zu überleben. Durch seine probiotische Wirkungsweise stärkt Lactobacillus reuteri Prodentis® die natürlichen Abwehrmechanismen des Mundes und stellt das Gleichgewicht der oralen Mikroflora wieder her. Bei einem regelmäßigen Konsum von L. reuteri-Lutschbonbons ergab sich aus den kontrollierten klinischen Studien eine signifikant
- verbesserte Plaquekontrolle
- reduzierte gingivale Entzündung
- reduzierte Taschentiefe
Das Probiotikum Periobalance
- ist kein Medikament oder Nahrungsergänzungsmittel
- zeigt keine bekannte Nebenwirkungen
- ist Ergänzung und nicht Ersatz häuslicher Mundhygiene
Zu den primären Periobalance-Zielgruppen gehören:
- Patienten mit Mundhygieneproblemen:
- körperlich/geistig eingeschränkte Menschen
- bettlägerige Menschen
- Alternative zum Langzeiteinsatz von Chlorhexidin
- Parodontitispatienten:
- in der antiinfektiösen Therapie
- in der parodontalen Erhaltungstherapie
- Patienten mit hoher Kariesaktivität und bei Schwangeren
Ziel ist die Förderung einer zahnfreundlichen Mundflora mit Hilfe der Basispflege von n‑HAp Zahncreme, Xylitiol Dragees (Cariostad 3x tgl. 2 Dragees für 4 Wochen kauen), Perio Balance 1x tgl., je 1 Lutschtablette für 30 Tage und evtl. noch eine Schiene mit Apa Care Repair für 4 Wochen, die abends für 15 Min. getragen wird.
Frau Dr. Birgit Gmeiner (Regensburg) stellte ein neues Produkt vor „MI Varnish“ der Firma GC. Und wieder bietet Zukunft Prophylaxe Neues! Ein Produkt, das evtl. schon bald auf den Markt kommen soll wurde brandneu vorgestellt.
Indikation:
- Desensibilisierung von freiliegendem Dentin
- Hemmung der Demineralisation
- Remineralisation von Initialläsionen
- Langzeit Kariesprävention
- Erosionsschutz
MI Varnish ist ein neuartiger Fluoridlack mit RECALDENT (CPP-ACP). Bioverfügbares Calcium, Phosphat und Fluorid sorgen für eine verbesserte „Lack Behandlung“. Der Natriumfluoridgehalt von 5% entspricht 22.600 ppm plus bioverfügbares Kalzium & Phosphat. Die Wirksamkeit und Effektivität des Fluorids ist abhängig vom Ca2+ - Reservoir des Speichels. CPP - ACP gibt viel Kalzium & Phosphat-Ionen in die Mundhöhle ab. Diese binden den Speichel, Plaque, Zahnbelag und Schleimhäute - dadurch wird die Wirksamkeit von Fluorid erhöht. Vorschulkinder akzeptieren Lacke besser als Gele. Das bedeutet, die Behandlung braucht weniger Zeit und verursacht keine Unannehmlichkeiten.
Hauptmerkmale von MI Varnish von GC:
- CPP-ACP – Technologie von „Ca und P – Ionen Freigabe“
- leicht zu applizieren und „höhere Flieseigenschaften“
- Geschmack & Ästhetik „Erdbeere & Minze“, Transluzent dank Pinienbaum-Harz-Derivat“
Die Eigenschaften im Überblick:
- verstärkt den Säurewiderstand des Zahnschmelzes
- sofortige Befreiung von Überempfindlichkeit, sowie Schutz vor Karies
- fließt leicht in Zwischenräume aufgrund der Viskosität
- klumpt nicht und scheidet nicht aus
- Einzeldosierung und ausreichende Menge für einen Erwachsenen
Zusammenfassung:
Fluoride Varnish ist eine wissenschaftlich belegte Behandlungsmöglichkeit. Sie wird bereits von wissenschaftlichen Fachorganisationen empfohlen. Die Behandlung ist delegierbar auf DH/ZMF/ZMP. Es besteht bereits ein wachsender Markt und es zeichnen sich weitere Entwicklungsmöglichkeiten ab.
Der letzte Vortrag wurde von Frau DH Leja Leistner (Wiesbaden) gehalten „Der besondere Patient“ Frau Leistner zeigte die Vielfältigkeit an Krankheitssymptomen bei den Patienten auf.
Worauf müssen wir als Behandler besonders achten, um dem Patienten einerseits zu helfen und andererseits uns vor Infektionen zu schützen. Wir sind verpflichtet den Patienten zu behandeln. Nur in seltenen Fällen können wir eine Behandlung ablehnen, zum Beispiel bei verbalen und körperlichen Angriffen des Patienten.
Wer gehört zur Gruppe der besonderen Patienten?
- Rauchende
- Organtransplantierte
- Diabetiker
- Epileptiker
- Herz-Kreislauferkrankte
- Bakteriämie-, Endokarditis-gefährdete
- Blutsystemerkrankte
- Nierenerkrankte
- Allergiker
- Gastrointestinal Erkrankte
- Osteoporoseerkrankte
- Infektionserkrankte
Frau Leistner zeigte sehr informativ zu jeder Krankheitsgruppe entsprechende Unterpunkte auf. Ich möchte mich auf die wesentlichen Krankheitsformen beschränken.
Diabetes mellitus
Der HBA1c Wert des Patienten soll 6 - 7,5% betragen. Der Patient soll sich erst beim Internisten oder Diabetologen vorstellen, bevor eine Sitzung mit chirurgischem Eingriff durchgeführt werden kann. Vor einer längeren Behandlung sollte der Patient Nahrung zu sich genommen haben. In der Praxis kann Coca Cola oder Traubenzucker bereit gehalten werden. Es besteht erhöhtes Kariesrisiko durch evtl. verminderten Speichelfluss. Ebenso können Wundheilungsstörungen möglich sein. Das Fortschreiten der Parodontitis kann zu einer erhöhten Insulinresistenz führen und diabetische Folgeschäden verstärken. Häufig muss eine PA Behandlung durchgeführt und/oder engmaschige Zahnreinigungstermine vergeben werden.
Herz- Kreislauf Erkrankte:
Erkrankte Gefäße sorgen dafür, dass auch die dadurch schlechter versorgten Organe mit betroffen und in ihrer Funktion eingeschränkt sind. Von einem normalen Blutdruck spricht man, wenn der Blutdruck bei Erwachsenen 120/80 mm Hg beträgt. Anstrengung und Stress können dazu führen, dass die Blutdruckwerte etwas ansteigen. Von Bluthochdruck (Hypertonie) spricht man bei Werten ab 140/90.
Blutsystemerkrankungen:
Sie liegen vor, wenn bereits Blutverdünnungsmedikamente für den Patient verordnet wurden, z. B. bei einem Schlaganfall oder Herzinfarkt oder er ist gefährdet.
Eine PA Behandlung/engmaschiger PZR Recall ist sinnvoll, da Entzündungen im Körper möglichst gering gehalten werden sollen.
Größere operative Eingriffe |
INR-Wert 1,5- max.2,5 |
Quick-Wert mind. 30-40% |
Kleinere operative Eingriffe |
INR-Wert 2,5- max. 4,0 |
Quick-Wert mind. 20% |
Keine Eingriffe |
INR-Wert, über 4,0 |
Quick-Wert unter 20% |
Was ist in der Praxis zu beachten:
- sicherstellen, ob eine Absprache mit behandelndem Arzt nötig ist
- sind blutgerinnungsfördernde Medikamente vor Behandlung zu verabreichen
- aktuellen INR-/Quickwert in Patientenkartei dokumentieren
- bei operativen Eingriffen auf richtige Blutstillung und Wundversorgung achten
- strenge und häufige postoperative Kontrollen
Infektionskrankheit HIV Virus:
Das HI-Virus befällt hauptsächlich T-Helferzellen und programmiert sie auf Virenproduktion um. HI-Viren gehören zu den Lentiviren - diese agieren langsam. Das körpereigene Immunsystem wehrt sich lange dagegen. Bis zu 12 Jahren kann man infiziert sein, ohne dass sich Krankheitssymptome äußern. Ansteckungsgefahr besteht an infizierten Kanülen und Skalpellen. In dem Hygieneplan LZK BW/2014 heißt es: Nach jedem Patient sollte das Behandlungszimmer und die Instrumente aufbereitet werden, als sei gerade ein infizierter Patient behandelt worden.
Für die Zahnarztpraxis ist wichtig:
- ausführliche, in regelmäßigen Abständen wiederholende Anamneseerhebung
- es besteht ein Infektionsrisiko für Behandler und Patienten. Deshalb sind Augen-, Hand-, Nasen- und Mundschutz verwenden.
Wegen der Immunschwäche ist der AIDS Patienten auch vor weiteren Infekten zu schützen. In einzelnen Fällen ist evtl. eine antibiotische Vorsorge nötig. Bei Einhaltung der Hygienevorschriften sind keine zusätzlichen Hygienemaßnahmen erforderlich. Eine Behandlungsverweigerung gilt als Diskriminierung.
Clivia Haaf