Herbsttreffen in Beilngries

Chemische Plaquehemmer, oder: wenn CHX von Nöten ist, hat dann die Prophylaxe versagt?

Unter diesem Motto fand der Workshop des Vereins ZUKUNFT PROPHYLAXE E.V. in Beilngries am 10. und 11. November 2006 im Altmühltal statt.

Frau Prof. Arweiler, Uni Freiburg warf in Ihrem Eingangsreferat die ketzerische Frage auf:

Brauchen wir überhaupt Mundhygiene? Wir schaffen Erosionen, Rezessionen, Bakteriämie und Überempfindlichkeit! Aber: Karies, Gingivitis und Parodontitis sind schwere Infektionskrankheiten, die durch die bakterielle Gemeinschaft im Biofilm ihren Anfang nehmen.

Das Ziel der Mundhygiene ist nicht die Sterilisation des Zahnes, sondern die regelmäßige Entfernung der Plaque um ein gesundes ökologisches Gleichgewicht zu erzielen. Schon im Altertum wurden zur Keimreduzierung ätherische Öle oder auch Urin als Mundspüllösung eingesetzt. Die Wirksamkeit von Teebaumöl, Propolis, ätherischer Öle und Sonnenblumenöl ist bisher nicht bewiesen. Dafür tritt vermehrt eine Kontaktdermatitis auf. Heute sind wir da einige große Schritte weiter. Die Wirkstoffe Chlorhexidin, Triclosan (Colgate Total), Aminfluorid und Zinnfluorid, Carbolsäure (Listerine), Zinnchlorid, Sanguinamin (Periogard) und Cetylpyridiniumchlorid bringen in unterschiedlicher Qualität Plaquereduktion und damit eine Gingivitis zum abklingen. Das beste Ergebnis wurde mit CHX erzielt.

CHX-Spülen ist aus Sicht der Referentin vor jeder zahnärztlichen Behandlung möglich, um Keime sowohl in der Mundhöhle als auch im Aerosol deutlich zu verringern. Bei Xerostomie sollten CHX und Fluoridpräparate gleichzeitig angewandt werden. Um genügend Fluorschutz aufzubauen, sollte die Putzdauer aber mindestens 2 Minuten dauern. Nachteil von CHX-Spülungen sind Verfärbungen und vermehrte Zahnsteinbildung. Die Reduktion von Gingivitis ist in Studien eindeutig nachgewiesen und beträgt ca. 50%.

Dr. Jäger von Pfizer sprach über Listerine, benannt nach dem Chirurg Dr. Lister, der vor mehr als hundert Jahren die Wirkung von ätherischen Ölen erstmals untersuchte. So beinhaltet Listerine nach wie vor Thymol, Carlolsäure, Menthol, Eukalyptol und  Alkohol in wässriger Lösung. Um Verfärbungen zu vermeiden, wurde ein Anti-Discoloration System entwickelt, das diesen ätherischen Ölen beigemengt wird. Von der American Dental Association ist neben CHX nur Listerine auf dem amerikanischen Markt als Mund-therapeutikum zugelassen. Vorteil ist die gute Langzeitverträglichkeit und verminderte Zahnstein-bildung durch Zusatz von Zinkchlorid. Es tötet etwa 80% der Bakterien in der Mundhöhle ab. Durch einen Kummulationseffekt bei regelmäßiger Anwendung leistet Listerine in Verbindung mit Zähneputzen und Interdentalreinigung einen wertvollen Beitrag in der Gingivitis- und Parodontitisprophylaxe.

Dr. Thomas Nahde, von  GlaxoSmithKline referierte über Einsatz und Wirkungsweise von CHX und ging auf die ökologische Plaquehypothese von Marsh ein: Verantwortlich für Entzündungen sind Veränderungen des Keimspektrums und des Immunsystems.

CHX besitzt eine sehr gute Haftfähigkeit am Zahn und eine breite antimikrobielle Wirkung gegenüber grampositiven und gramnegativen Keimen. Bei hohem Kariesrisiko haben CHX Gel in Schienen aufgebracht und Zähneputzen mit CHX Gel nach vierzehn Tagen den gleichen Effekt. Der Effekt von CHX-Zahnseiden ist umstritten, da die Abgabe von CHX im Interdentalraum gering ist. Die Neutralisation von CHX durch Natrium-laurylsulfat ist nur letztendlich invitro stichhaltig bewiesen. Der Invivo Nachweis steht bisher aus. CHX wirkt zytotoxisch. Die Wirkung auf die Fibroblasten in der Aufbauphase bei offenen Wunden ist kritisch zu beurteilen. Um den bei längerem CHX -Einsatz auftretenden Verfärbungen entgegen zu wirken, wurde Chlorhexamed mit einem Anti-Stin-Faktor versetzt mit dem Ziel der Antidiscoloration. Dadurch ergibt sich allerdings eine reduzierte Wirksamkeit des CHX.

Die Full Mouth Desinfection wurde kontrovers diskutiert. Letztendlich gibt es keinen wissenschaftlichen Beweis, ob nach einem Jahr bessere Ergebnisse erzielt werden können als ohne diese Therapiestrategie. Zumal die Parodontaltherapie aller Quadranten innerhalb von 24 Stunden und folgender CHX-Spülung über mehrere Monate für den Patienten eine nicht unerhebliche Belastung darstellt, so Priv. Doz. Dr. Buchmann (Parodontologe, Uni Düsseldorf).

Privat. Doz. Dr. Buchmann untersuchte den bakterio-statischen Einfluss des Triclosan. Die Triclosan-Copolymer-Technologie verändert den Arachidan-säuremetabolismus und hat so eine unspezifische Wirkung auf Bakterien, Pilze und Viren. Die antifluor-matische Komponente unterstützt die Nachsorge von parodontalchirurgisch behandelten Patienten in der häuslichen Mundhygiene. Triclosan ist als Zusatz bei den Zahnpasten Colgate Total, Blend-a-med und
Odol enthalten.

Schließlich referierte Fr. Dr. Hinrichs von GABA über den systematischen Effekt von Aminfluorid und Zinnfluorid in der Meridol-Mundspüllösung. Aminfluorid wirkt antikariogen oberflächlich und fördert die Remineralisation, während Sn-Fluorid antibakteriell und plaquehemmend wirkt. Da Sn-Fluorid in wässrigen Lösungen sehr instabil ist, muss es durch das Aminfluorid stabilisiert werden. Die Referentin sieht die Vorzüge dieser Kombination vor allem als Begleit-Therapie bei Parodontalerkrankungen und  -behandlungen (Langzeitthera-peutikum). Hervorragend eignen sich Meridolspülung und Meridolzahnpasta als Kombination ( wobei sie gleichzeitig zu bedenken gab, dass 3,1%  aller Deutschen nie Zähne putzen, 24% nur einmal und nur 70% 2x täglich). Neu ist die Meridol - PA-Spülung ohne Alkohol mit CHX. Im Gegensatz zu Listerine und Chlorhexamed verzichtet GABA bei der Meridol-Paro-Spülung auf Alkohol.

Den interessierten Zuhörern viel besonders auf, dass die Effektivität in der Plaquehemmung der unterschiedlichen Wirkstoffe meist gegen CHX als den Golden Standard verglichen wurde. Eingeräumt werden muss allerdings, dass CHX als Medikament und damit als Therapeutikum zu verstehen ist, während Listerine, Triclosan und Amin- und Sn-Fluorid in Meridol zum Erhalt einer keimreduzierten Mundhöhle in der Vor- und Nachsorge zum Einsatz kommen. Bei einem gut funktionierenden dreimonatigen Recall in der Prophylaxe dürfte sich der Einsatz von CHX erübrigen. So gestand letztendlich jeder Referent auch den Konkurrenzprodukten ihr entsprechendes Einsatzgebiet zu.

Das wiederum widerspiegelt auch den wissenschaftlichen Geist des Workshop Beilngries. Eigentlich konkurrierende Firmen entsenden wissenschaftliche Mitarbeiter, die im Gefolge eines Grundsatzreferates eines Hochschulvertreters ihre Produkte vorstellen und wissenschaftlich Position beziehen. Die Nutznießer sind die Zahnärzte und die Mitarbeiter für Prophylaxe. Und das ist das Anliegen des Vereines Zukunft Prophylaxe.

Die traditionelle Veranstaltung des Workshops Beilngries des Vereins Zukunft Prophylaxe, der  immer auch mit einer Mitgliederversammlung verbunden ist, wurde wie in jedem Jahr von unserem Vorstandsmitglied und Fortbildungsreferenten Dr. Claes Monten aus Staffelstein hervorragend wissenschaftlich vorbereitet. Wegen seiner schweren Erkrankung konnte er selbst schon nicht mehr an der Veranstaltung teilnehmen.

Am 1.12.2006  ist Dr. Claes Monten verstorben. Der Vorstand und die Vereinsmitglieder betrauern zutiefst seinen Tod. Der Verein Zukunft Prophylaxe verliert einen wunderbaren Menschen und Kollegen, der maßgeblich das fachliche Niveau des Vereins mitbestimmte. Wir werden ihm immer ein ehrenvolles Andenken bewahren.

Zurück